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Jeder Tropfen zählt

Den Wasserzufluss in Stauseen zu berechnen ist für Stromproduzenten essentiell. Aktuell laufen zwei Projekte für bessere Prognosen der Wassermengen.

«Wasser ist für Alpiq wie Mehl für den Bäcker», sagt Jonathan Fauriel, Head Civil Engineerung and Environment. Als zweitgrösster Stromproduzent aus erneuerbaren Energien in der Schweiz haben wir eine grosse Verantwortung, mit der Ressource Wasser nachhaltig umzugehen und zu wissen, wie man sie am effektivsten nutzt. Dazu sind verlässliche Vorhersagen über die Zuflüsse in die Stauseen entscheidend. «Wir müssen wissen, welche Mengen Wasser zur Verfügung stehen, um Verschwendung zu vermeiden und um sie vollständig nutzen zu können», sagt Jonathan. Zum einen gibt es einem Stromproduzenten wie Alpiq Planungssicherheit, zum anderen ermöglicht es aber auch eine sichere Versorgung.

Warum wir Vorhersagen der Wassermengen brauchen

  • Vermeidung von Wasserverlust. Wenn bei starken Niederschlägen oder hohen Temperaturen (Eisschmelze) überraschend viel Wasser zuströmt, können Stauseen und Wasserfassungen überlaufen und es können jährlich bis zu 40 GWh für Alpiq verloren gehen.

  • Optimierung der Turbinierzeiten. Für die saisonale Planung ist es wichtig zu wissen, wieviel Wasser zur Stromerzeugung zur Verfügung steht.

  • Kostenreduktion der Pumpenergie. Der Zeitpunkt, wann und wieviel Wasser wieder in die Stauseen zurückgepumpt werden muss, kann besser vorausgeplant werden.

  • Optimierung der Systemdienstleistungen. Die Kraftwerke können besser für den Einsatz von Systemdienstleistungen für Swissgrid geplant werden und können das Netz zuverlässiger stabilisieren.

  • Minimierung der Ausgleichsenergie. Die Lücke zwischen der vorhergesagten und auch schon auf dem Markt verkauften Strommenge und der zum Lieferzeitpunkt vorhandenen Strommenge wird kleiner. Das finanzielle und physische Risiko wird minimiert.

  • Erhöhung der Sicherheit unterhalb des Staudamms. Fluten können präventiv verhindert oder die Bevölkerung rechtzeitig vorgewarnt werden.

«Qualitative Vorhersagen sind relativ einfach. Es kommt einfach nur Wasser», scherzt Jonathan und fügt sofort hinzu:

«Quantitativ sind Vorhersagen über die Wasserzuflüsse eine sehr grosse Herausforderung. Mit einem derart unzuverlässigen Indikator wie Wettervorhersagen ist es eigentlich unmöglich, die Niederschläge exakt zu bestimmen und sie dann auch noch in Zuflussmengen umzurechnen. Noch dazu fallen die Parameter für jede Anlage anders aus.»

Das Wetter in Daten verwandeln

Für eine Vorhersage der Wasserzuflüsse müssen unzählige Rohdaten erhoben, verarbeitet, aufbereitet und in die vorhandenen Steuerungssysteme und Modellierungen integriert werden. Wettervorhersagen, Messdaten der Wetter- und Radarstationen, Messdaten der Durchflussmengen einzelner Kraftwerke oder aktuelle Wasserstände der Seen. Mit all diesen Daten wird versucht, die Wassermengen möglichst exakt zu bestimmen, um sie optimal zur Stromerzeugung und -Vermarktung zu nutzen. «Dafür greifen wir auf alle zur Verfügung stehenden Mittel zurück», sagt Jonathan entschlossen und erklärt, dass auch Modelle, die auf künstlicher Intelligenz basieren, miteinbezogen werden. Aktuell verfolgt Alpiq mit Radar4Infra und Defrost for Hydropower zwei Projekte, die auf Radarmessungen und Satellitendaten basieren.

Radar4Infra

Das Projekt Radar4Infra, unterstützt durch Innosuisse, hat zum Ziel, alle Komponenten der Vorhersage zu verbessern und wurde eigentlich entwickelt, um zuverlässigere Warnungen für Hochwasserrisiken und quantitative Schätzungen des Durchflusses machen zu können. Die Vorhersagen basieren auf einer Kombination von Radarsignalen, Wetterprognosemodellen und Entwicklungsszenarien. Der Radar misst die Tropfengrösse des Regens, die Typen der Schneekristalle oder das Vorhandensein von Hagelkörnern in den Wolken und leitet davon die Niederschlagsintensität ab. Über Machine Learning sollen die Modellierungen eine immer höhere Exaktheit erreichen. Das Projekt Radar4Infra konzentriert sich auf kleinere räumliche Einheiten und Einzugsgebiete und soll eine Reaktionszeit von wenigen Minuten ermöglichen. Ideal für die kurzfristige Vorhersage der Zuflüsse von Stauseen. Die ersten Resultate des Projekts sollen Mitte 2022 vorliegen.

Defrost for Hydropower

Das Projekt Defrost for Hydropower stützt sich auf Satellitendaten. Es kombiniert das Schnee-Know-how des SLF mit Satellitenbildern und einer Geodaten-Technologie von Wegaw sowie Modellierungen von Hydrique Engineers, um den Wasserzufluss bis zu vier Monate im Voraus vorherzusagen. Dabei werden Satelliteninformationen über das Schneewasseräquivalent (SWE) umgewandelt und in eine saisonale hydrologische Zuflussvorhersage integriert. Partner sind das Bundesamt für Energie sowie die Stromerzeuger FMV SA, SIG, Groupe E, Romande Energie, Alpiq, EnBAG AG, OIKEN, EnAlpin und der Kanton Genf. Anfang 2021 wurde die Methodik in zwei Wassereinzugsgebieten erfolgreich getestet. Bis Mitte 2022 werden die simulierten Zuflussdaten mit den Informationen aller teilnehmenden Stromproduzenten verglichen, um Verbesserungsmöglichkeiten in der Produktion und im Handel zu identifizieren.

Bei beiden Projekten gilt es, die Daten bestmöglich in unsere vorhandenen Systeme zu integrieren und die Modellierung weiterzuverarbeiten, damit nicht nur die Ressource Wasser bestmöglich genutzt wird, sondern der Strom auch gewinnbringend vermarktet wird. Trotz aller aussichtsreicher Versuche, die Prognosen zu perfektionieren, behält sich Jonathan einen gesunden Pragmatismus: «Wir können zwar die Vorhersagen optimieren, aber letztendlich nicht das Wetter beeinflussen. Wir können nur besser drauf vorbereitet sein.»