Wählen Sie ein Land, um Inhalte und Produkte für diesen Markt zu sehen.
Land
Verfügbare Sprachen
OKMit dem Rückzug der Gletscher werden die Wasserzuflüsse durch ihr Schmelzwasser nach und nach abnehmen. Wenn das Eis erst vollständig geschmolzen ist, wird die jährliche Wassermenge nur noch von den Niederschlägen, also Regen und Schnee, bestimmt werden. Die Geschwindigkeit dieser Entwicklung hängt vor allem vom Vereisungsgrad der Einzugsgebiete, ihrer Expositionsrichtung und Höhe ab.
Bei Staubecken in kaum oder nicht glazial geprägten Einzugsgebieten, wie Salanfe in den Walliser Alpen oder Hongrin in den Waadtländer Voralpen, hängt die Verfügbarkeit von Wasser und die daraus resultierende Energieerzeugung nicht oder kaum von glazialen Zuflüssen, sondern im Wesentlichen von den jährlichen Niederschlägen ab.
Durch die Klimaerwärmung wird die Durchflussmenge früher im Jahr vor allem im Frühling ansteigen, da die Niederschläge eher in Form von Regen als von Schnee erfolgen und die Schneeschmelze früher eintritt. Am Ende des Sommers werden die Stauseen aufgrund der knapper werdenden Wassermengen aus der Gletscherschmelze jedoch weniger Wasserzuflüsse erhalten.
Die Klimamodelle prognostizieren zudem einen Rückgang der Niederschlagsmengen im Sommer und eine leichte Zunahme im Winter. Diese veränderten Niederschlagsmuster werden sich unabhängig von der Gletscherschmelze auf die Durchflussmengen auswirken.
In den stark vereisten Einzugsgebieten beobachtet man Höchststände bei den Durchflussmengen, wie sie seit Inbetriebnahme der Wasserkraftanlagen noch nie erreicht wurden. Dieses Phänomen ist auf die besonders heissen Sommer und die sich daraus ergebende Beschleunigung der Gletscherschmelze zurückzuführen. So kann es beispielsweise an der Staumauer Gebidem im Wallis seit einigen Jahren zu Überläufen kommen, die mehrere Tage pro Jahr andauern. In diesem Fall kann das volle Potenzial des Zuflusses aufgrund der zu geringen Kapazität der vorhandenen Anlagen nicht ausgeschöpft werden. Schliesslich waren die Anlagen der Staumauer Gebidem bei ihrer Inbetriebnahme 1969 für die damals kleinere Durchflussmenge konzipiert.
Eine weitere Folge der Klimaerwärmung ist die Zunahme der durch die Gewässer abtransportierten Sedimente glazialen Ursprungs. Sie sind im Wesentlichen auf die Erosion unter dem Gletscher, jüngst freigelegte Gletschervorfelder oder durch von der Permafrost-Schmelze destabilisierte Wände und Moränen zurückzuführen.
Diese transportierten Sedimente verbleiben in Stauseen oder Ausgleichsbecken oder speziell dafür konzipierten Rückhaltebecken. Wenn die Sedimente über lange Zeit in diesen Becken bleiben, reduzieren sie das nutzbare Volumen für die Erzeugung von Wasserkraft und können die Nutzung der Anlage beeinträchtigen. Sie werden daher punktuell mithilfe von Spülungen entfernt oder per Bagger beseitigt und abtransportiert. Aufgrund der Klimaerwärmung könnte es in Zukunft häufiger zu derartigen Massnahmen kommen.
Eine weitere Herausforderung in Zusammenhang mit der erhöhten Sedimentablagerung ist die Abnützung der Leitungen und Turbinen, die durch den Kontakt mit den Sedimenten verschleissen.
Um die möglichen Auswirkungen des Gletscherrückzugs auf die Wasserkraftproduktion abschätzen zu können, hat der Fachbereich Glaziologie der ETH Zürich mehrere Studien durchgeführt. Diese befassen sich mit den glazial geprägten Einzugsgebieten der von Alpiq bewirtschafteten Kraftwerke und berücksichtigen die neuesten Klimaszenarien für die Schweiz.
Alpiq kann so die Entwicklung der Wasserzuflüsse aus Eis, Schnee oder Regen besser abschätzen.
Trotz aller Unsicherheiten, die mit diesen Simulationen einhergehen, zeichnen sich zwei Szenarien für die untersuchten Kraftwerke ab.
Bis zum Ende des Jahrhunderts ist folglich zu erwarten, dass sich die Wasserzuflüsse an jene zur Zeit des Baus der grossen Staumauern zwischen den 1950er und 1970er Jahren, als die Schneeschmelze geringer war, annähern werden. Ohne Optimierung des technischen Potenzials wird die künftige Wasserkraftproduktion dem Trend des abnehmenden Gletscherwasserzuflusses folgen.
Der Klimawandel zwingt uns dazu, darüber nachzudenken, wie wir den Betrieb unserer Wasserkraftwerke an die hydrologischen Bedingungen der Zukunft anpassen können. Bei den vereisten Einzugsgebieten, bei denen die Durchflussmenge ansteigt, denken wir über die Anpassung der bestehenden Kraftwerke an diese neue Gegebenheit nach. Dabei kann es sich um die Erhöhung der Staumauern, die Steigerung der Produktionskapazität oder auch den Bau zusätzlicher Anlagen handeln.
Aufgrund der Zunahme der Sedimente und der damit einhergehenden Versandung bestimmter Becken und/oder der Kiesablagerungen in den Wasserfassungen werden Alternativen zu den Spülvorgängen untersucht, um die Belastung für die Gewässerökologie und die Wasserverluste bei der Wasserkraftproduktion zu verringern.
Nicht nur die Stromerzeugung ist betroffen, sondern auch die Speicherung von Wasser für andere Zwecke wie Bewässerung, Hochwasserschutz, Trinkwasser oder Kunstschnee. Die Prognosen hinsichtlich der Wasserzuflüsse ermöglichen es uns, künftig Prioritäten für die verschiedenen Nutzungen zu setzen. Gemeinsam müssen Schweizer Bund, Kantone, Gemeinden und Betreiber von Wasserkraftwerken diese natürliche Ressource ganzheitlich betrachten und parallel dazu eine Abwägung der verschiedenen Interessen vornehmen.
Es wurden zahlreiche Simulationen durchgeführt, um einzuschätzen, wann der Gornergletscher verschwinden wird. Wie es scheint, wird er selbst unter dem Worst-Case-Szenario der Klimaentwicklung – in Bezug auf die Entwicklung der Treibhausgaskonzentrationen – auch 2100 noch existieren. In diesem Extremfall würden noch etwas weniger als 20 Prozent des aktuellen Volumens des Gornergletschers verbleiben.
Marjorie Perroud ist seit 2019 Umweltprojektleiterin bei Alpiq AG. Als promovierte Umweltwissenschaftlerin mit zwei Postdocs in den USA und Kanada im Bereich Klimatologie, Glaziologie und Limnologie, ist sie derzeit verantwortlich für die Bewertung des Wasserzuflusses in die Stauseen der wichtigsten Wasserkraftanlagen im Wallis gemäss Klimaszenarien, betreut Projekte zur Sanierung der Wasserkraft und ist Referentin für die Problematik des Sedimentmanagements.