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Künstliche Hochwasser beleben den Spöl

Seit zwölf Jahren erzeugen die Engadiner Kraftwerke AG am Fliessgewässer Spöl unterhalb des Stausees Livigno künstliche Hochwasser. Diese brachten dem Gebirgsbach einen Teil seines ursprünglichen Wildwassercharakters zurück.

Mehr Dynamik für Restwasserbach

Der Spöl ist seit Inbetriebnahme der Engadiner Kraftwerke 1970 ein Restwasserbach. Dem gezähmten Gewässer fehlten wesentliche Merkmale eines Gebirgsbachs. Im Rahmen eines 12 Jahre dauernden Projektes testeten die Kraftwerksbetreiber verschiedene Hochwasser. Diese Spülungen wuchsen zu einer international einmaligen Versuchsreihe an. Im Jahr 2011 wurde das neue Restwasserregime definitiv eingeführt. Dieses funktioniert so: Im Juli wird ein Hochwasser mit einem Spitzenabfluss von 30 Kubikmetern pro Sekunde erzeugt und im September ein kleineres mit 20 Kubikmetern pro Sekunde. Diese beiden künstlichen Hochwasser haben die Flussentwicklung positiv beeinflusst. Sie bringen dem Spöl die nötige Dynamik, damit er sich wieder in einen typischen Gebirgsbach entwickeln kann. Kleine Hochwasser mit einem Abfluss von nur 10 Kubikmetern pro Sekunde bringen ökologisch wenig, weil sie keine Umlagerung der Gewässersohle bringen. Sehr grosse Fluten sind problematisch, weil zu viele Lebewesen fortgeschwemmt werden.

Neue Tierarten im Spöl

Die Spülungen hatten sichtbare Auswirkungen auf das Bachbett: Die Schuttkegel der Seitenbäche wurden abgetragen, die Sohle umgelagert und aufgelockert. Algen und Moosbewuchs gingen deutlich zurück. Seit dem Jahr 2007 konnten im Spöl Tierarten nachgewiesen werden, welche bisher nicht vorgefunden wurden. Dazu zählten insbesondere seltenere Stein- und Köcherfliegenarten. Mit den Hochwassern verbesserten sich auch die Lebensbedingungen der Fische. Die Bachforelle ist die einzige Art, die ständig im Spöl lebt. Die Anzahl der Laichgebiete wie auch die der dort angelegten Forellenlaichgruben hat seit 2000 stark zugenommen.

Wenig Wasser = geringe Dynamik

Die sechs Kilometer lange, schluchtartige Restwasserstrecke entwickelte sich ab 1970 zu einem Gewässer mit ausgedehnten Flachwasserbereichen und Tümpeln. Das nährstoffreiche Wasser aus dem Livigno-Stausee förderte auf dem Weg zum Ausgleichsbecken Ova Spin das Wachstum von Algen und Moosen. Die Seitenbäche lagerten mitgeführtes Geröll im Bachbett ab. Dem Spöl fehlte die Kraft, um das Material weiterzutransportieren. Feinsedimente verschlossen die Poren in der Sohle, welche nicht mehr als Wasserfilter funktionieren konnte. Von den Seitenflanken schoben sich Muren ins Bachbett und bremsten den Wasserlauf. Die Gestalt des Spöl veränderte sich.

Idee führte zur nachhaltigen Verbesserung

Seit 1990 besteht eine enge Zusammenarbeit zwischen den Engadiner Kraftwerken, dem Nationalpark und einer Arbeitsgruppe von Wissenschaftern. Die ersten Stauseespülungen zeigten positive Auswirkungen auf die Gewässerökologie. 1995 entstand die Idee, die Erfahrungen für eine nachhaltige Entwicklung des Restwasserbachs zu nutzen. Die ersten künstlichen Hochwasser rauschten im Jahr 2000 durch den Spöl. Seither wurden im Gebirgsbach insgesamt 24 Fluten von jeweils sechs bis acht Stunden Dauer erzeugt. Mit dem eingeführten Hochwasserregime gewinnt der Spöl einen Teil seines natürlichen Charakters als Gebirgsbach zurück. Gleichzeitig dient das Wasser weiterhin zur Energienutzung.

Quellen: Infotag Eawag vom 22. Juni 2012, Artikel NZZ vom 9. Januar 2013, Internetseite des Schweizerischen Nationalparks